
Eine Schattenlinie zieht sich über die Häuserfront vis-à-vis. Die Frau mit den Tattoos streichelt den Hund, der Braune starrt über die Strasse. Ich versuche, den Schielenden nicht anzusehen.
„Hast du immer schon hier gewohnt?“, frage ich Torp.
„Drei Jahre, geboren bin ich in der Ukraine.“
„Und denkst du, du wirst hier bleiben?“
„Weiss nicht, hier habe ich Leute, denen ich vertrauen kann. Woher kommst du?“
„Aus der Schweiz.“
Wem begegnet man in den Straßen Lübecks? Architekt*innen oder den Buddenbrooks, könnte man zumindest vermuten. Alexandra Zysset schreibt in ihrem Text über eine Begegnung, die dazu einlädt, einmal über die eigenen Privilegien nachzudenken.
Alexandra Zysset, 1995 in Biel/Bienne (CH) geboren, studiert seit 2017 am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Sie schreibt Prosa und Journalistisches und übersetzt gelegentlich aus dem Französischen. Daneben arbeitet sie als Sandwichverkäuferin in einer Mall.
Foto: © Mischa Dickerhof