Cornelia Manikowsky

– ich lasse das Hansemuseum hinter mir, doch dann finde ich die Hafenstraße nicht, sie muss hier irgendwo sein, zwischen Lagerhäusern und Hafenbecken und Grünstreifen und Ausfallstraßen, bis ich eine Stele sehe und mehrere Platten, die Täter wurden nie ermitteltich finde die Namen nicht, zähle zehn Steine für zehn Tote, was gehen mich die Namen an, will ich wirklich die Namen lesen, mit Gänsehaut auf dem Rücken und auf der Kopfhaut, während die Täter noch herumlaufen, sich Einbauküchen kaufen und Aufsitzrasenmäher, mit ihren Kindern Fußball spielen und ihre alternden Eltern besuchen und zum Zahnarzt gehen und Rentenkonten klären und am Wochenende grillen oder Pommes essen oder auch Döner oder Falafel­ –

Lübeck als Kindheitserinnerung, als Zwischenstation auf dem Weg zu einer im Scheitern befindlichen Liebelei in Kopenhagen und als Ort eines nie aufgeklärten Brandanschlags mit einem rechtsextremen Hintergrund: Cornelia Manikowsky erkundet in ihrem Text die Fixpunkte des eigenen und des kollektiven Erinnerns in der Stadt.

Cornelia Manikowsky, *1961, schreibt für Erwachsene und Kinder. Zuletzt veröffentlichte sie „und an die Liebe denke ich“ Edition Hammer+Veilchen, Hamburg u. Niederstetten 2017 sowie das BuchDruckKunstWerk „ALLES“ – Kurzprosa, mit Lithografien von Muriel Zoe, Verlagsgesellschaft der Stiftung Historische Museen, Hamburg 2017. Ebenfalls in der Verlagsgesellschaft der Stiftung Historische Museen Hamburg erscheint im Herbst 2020 der Kurzprosaband „Kleine Dinge“ mit Grafiken von Muriel Zoe.
www.manikowsky.de